LinguCards - kurz und knackig

LinguCards ist ein transdisziplinäres non-profit Projekt, das sich darum bemüht, die Entwicklung eines Bewusstseins für europäische Identität und Weltbürgertum zu fördern. 

Grundsäulen von LinguCards
Grundsäulen des Projekts

Kern und Ausgangspunkt der Projektarbeit sind die europäischen Sprachen und der interkulturelle Vergleich von Sprichwörtern. Dieser Vergleich bleibt jedoch nicht auf der sprachlichen Bedeutungsebene stehen, sondern verfolgt das Ziel, Erkenntnisse der vergleichenden Sprachwissenschaft mit bildender Kunst zu verbinden, damit über das kognitive Sprachverständnis hinauszugehen und alle Sinne anzusprechen. 

 

Konkret werden zunächst Sprichwörter aus verschiedenen Sprachen identifiziert, welche dieselbe metaphorische Bedeutung haben, dafür jedoch ein anderes Bild benutzen. Während man in Deutschland “zwei Fliegen mit einer Klappe schlägt” werden in Frankreich “zwei Treffer mit einem Stein erzielt”, in England “zwei Vögel mit einem Stein getötet”, in Bulgarien “zwei Hasen mit einem Schuß getroffen” usw.

 

Nach der Recherche von geeigneten Sprichwortgruppen erfolgt die Illustration der einzelnen Sprichwörter durch muttersprachliche Künstler. Jede Illustration wird zu einer “LinguCard”.

Nach Erstellung und Druck werden die “LinguCards” einzeln oder als ganzes Memory-Kartenspiel in Umlauf gebracht. Die Verbreitung des Projekts mit seinen Zielen findet durch die Distribution der “LinguCards” selbst, die Organisation von Workshops und durch Kooperationen mit Bildungseinrichtungen statt. 

Der Grundstein des im Januar 2015 begonnen Projekts ist in der Zusammenarbeit mit 26 bulgarischen und deutschen Künstlern gelegt worden. Bisher konnten so 13 bilingualen Sprichwortkarten in bulgarischer und deutscher Sprache produziert werden. Die Wahl gerade dieser beiden Sprachen ist zum einen auf die Kulturvermittlungsfreude der deutschen Projektinitiatorin Eva Amanda Fell zurückzuführen, die zur Zeit der Projektgründung in Bulgarien lebte. Zum anderen scheint es sinnvoll, einen Schwerpunkt auf die Vermittlung zwischen kleinen und großen Sprachgemeinschaften der EU zu legen, um ein ganzheitliches Bewusstsein der europäischen Identität zu befördern. Auch die aktuelle Herausforderung der EU durch die syrische Flüchtlingskrise wird für die Weiterentwicklung des Projektes berücksichtigt. Entsprechend ist die Aufnahme arabischer Sprichwörter in die LinguCards Kollektion bereits in der Planung.

Leitideen von LinguCards

Sprache, Bild und Identität

Es gibt kein Denken ohne Sprache, keine Sprache ohne Bilder und keine Identität ohne Selbstbild. Identität entsteht durch Sprache. Die Europäische Union ist ein Verbund von 28 Mitgliedstaaten mit 24 offiziellen Amtssprachen. Neben diesen offiziellen Sprachen werden außerdem noch viele weitere Sprachen gesprochen, z. B. von zugewanderten Minderheiten und Gästen der Union. Diese Vielfalt an Sprachen ist als kulturelles Kapital zu verstehen und zu erhalten. Europäische Verständigung beruht auf der Mehrsprachigkeit von Bürgern und Institutionen. Erst im Prozess der Verständigung entwickelt sich europäische Identität. LinguCards beruht auf dieser Idee und fördert zwischensprachliche Verständigung auf der Grundlage einer Gleichstellung sprachlicher Bilder im innereuropäischen Vergleich.

Wer in Europa reist und sich mit landesspezifischen Redewendungen auseinandersetzt, stellt rasch fest, dass Sprichwörter zwar große Unterschiede bei den idiomatischen Ausdrücken verschiedener Sprachgemeinschaften widerspiegeln, dabei aber doch häufig Eins-zu-Eins-Entsprechungen auf der Bedeutungsebene gefunden werden können. LinguCards ermöglicht bildliche Vergleiche unterschiedlicher Metaphern mit ein und derselben Bedeutung. Damit werden die Gemeinsamkeiten in der Verschiedenheit unterstrichen und sowohl ein interkulturelles Verständnis als auch ein gemeinsames Bewusstsein von europäischer Identität gefördert.

Multilinguale Sprichwortsammlungen durch interkulturelle Netzwerke

Um alles unter einen Hut zu kriegen, sollte man nicht unter dem Pantoffel stehen, anderen keine Grube graben, in die man selbst hineinfällt, wissen, dass noch kein Meister vom Himmel gefallen ist und der Apfel nicht weit vom Stamm fällt, dass es manchmal zum Mäusemelken ist, des Pudels Kern der Teufel sein kann, die Schlange mit gespaltener Zunge spricht, man immer nur auf einer Hochzeit tanzt, und doch zuweilen der Haussegen schief hängt, wenn man nicht mal die Klappe hält, weil gegen Torheit kein Kraut gewachsen ist, auch wenn man zeigt, wo der Hammer hängt, sich Gleich und Gleich gern gesellt, obwohl sich Gegensätze anziehen.

 

Sprichwörter und feste Redewendungen werden entweder von einer kompletten Sprachgemeinschaft verwendet oder zumindest erkannt und verstanden. Sie haben ihre Wurzeln in Kultur und Geschichte der jeweiligen Gemeinschaft, wobei es auch regionale Unterschiede und Besonderheiten geben kann. Bis jetzt hat die Projektgründerin über Reisen, das Internet und über Facebook Studenten und Muttersprachler verschiedener europäischer Sprachen gefunden und mit ihnen die Recherche und Vernetzung der Sprichwörter über Google Drive organisiert. Es sind inzwischen Kontaktpersonen und LinguCards-Sprichwortgruppen für Bulgarisch, Rumänisch, Ungarisch, Griechisch, Italienisch, Polnisch, Französisch, Deutsch, Englisch, aber auch für Türkisch und Russisch identifiziert und gebildet worden. Die Überführung von geeigneten Sprichwörtern in Illustrationen fand bis jetzt ausschließlich für bulgarische und deutsche Sprichwörter statt. Es wurden jedoch schon erste Kontakte zu muttersprachlichen Künstlern und Illustratoren aus Italien, Griechenland, Frankreich, England und in die Türkei geknüpft.

Kunst als Kommunikationsmittel

Die Illustrationen der sprichwörtlichen Bedeutung von Redewendungen wird ausschließlich von muttersprachlichen Künstlern beigesteuert. Jede Illustration erhält ihren eigenen Künstler. Auch in stilistischer Hinsicht ist somit für Vielfalt gesorgt.

Die Vorgaben der Muttersprachlichkeit und der Vielfalt bringen folgende Vorteile für das Projekt mit sich: Der Anspruch an eine LinguCards-Illustration ist sehr komplex und kann nur von Mitgliedern der betreffenden Sprachgemeinschaften geleistet werden. Die Künstler sind immer dazu aufgefordert, den Hauptschwerpunkt auf die Darstellung der sprichwörtlichen Bedeutung eines Idioms zu legen. Die entscheidenden Schlüsselwörter, die sich im internationalen Vergleich unterscheiden, müssen deutlich im Bild wiederzuerkennen sein. Gleichzeitig mit der Wiedergabe von Elementen der metaphorischen Bedeutung soll immer auch eine künstlerische Interpretation mit kultureller Dimension stattfinden.

Abgesehen von dieser klaren, rein inhaltlichen Richtungsgebung und einer Vorgabe für das Format der Illustration sind die Künstler in ihrer gestalterischen Freiheit uneingeschränkt und werden dazu aufgefordert ein Bild zu erzeugen, mit dem sie sich und ihre Kunst identifizieren können. Nur auf diese Weise können authentische Interpretationen entstehen, die den Austausch zwischen beteiligten Künstlern inspirieren.

LinguCards bietet europäischen und Europa zugewandten Künstlern eine Plattform des Austausches. Es gehört zu den Zielen von LinguCards zwischen beteiligten Künstlern über Sprach- und Kulturgrenzen hinweg dauerhafte Zusammenarbeit zu initiieren. Dies kann durch Informationsaustausch, persönliche Treffen und gemeinsame Ausstellungen oder sogar gemeinsame Arbeiten geschehen. Erste Erfolge in dieser Richtung gab es bereits zu verzeichnen. Kristina Yakimova, eine bulgarische Künstlerin, hat eine Ausstellung ihrer Werke in Berlin organisiert und über LinguCards Kontakt zu Johannes Mundinger, Till Jürgens und der „Wurstbande“ (Gruppe von zwei Illustratoren) knüpfen können. Die in Berlin ansässigen Künstler haben Frau Yakimova eine kostenlose Unterkunft organisiert und sie mit der lokalen Künstlerszene bekannt gemacht. So konnten alle fünf über eine ganze Woche hinweg eine gute und arbeitsintensive Zeit miteinander verbringen.

Eine gemeinsame Ausstellung der LinguCards-Werke mit Präsenz aller beteiligten Künstler eines Sprach-Duos, z.B. mit den 26 bis jetzt involvierten bulgarischen und deutschen Künstlern, ist in Planung.

LinguCards on the road

Im Jahre 2015 hat das Eventorganisationsteam (Eva Amanda Fell und Teodora Baeva-Muravska) insgesamt vier Workshops, zwei Informationsveranstaltungen und eine Schulkooperation organisiert. Neben dem Organisationsteam beteiligen sich in der Regel einige der für LinguCards tätigen Künstler. Dazu kommen meist spontan interessierte Helfer, die sich für kurze Zeit ebenfalls mit ihren Fähigkeiten und Ideen einbringen.

Im Juli 2015 wurde der erste Versuch eines LinguCards-Workshops auf dem nicht-kommerziellen Festival "Flörsheimer Open Air" unternommen. Sprichwortsammlungen wurden vorbereitet und Zeichenutensilien zur Verfügung gestellt. Dann waren Jung und Alt dazu aufgefordert, ihre Lieblingssprichwörter zu illustrieren und mit denen anderer Sprachen zu vergleichen. Das zweitägige Event traf auf große Resonanz und brachte Anregungen und Anschauungsmaterial für die daraufhin folgenden Workshops in Bulgarien hervor.

Zwischen Juli und August stießen Teodora Baeva-Muravska und Blagovest Blagoev zum Kern-Team des Projektes hinzu. Frau Baeva-Muravska engagiert sich seitdem stark für die Eventplanung in Bulgarien, und Herr Blagoev übernimmt als Designer alle Aufgaben, die das Layout der LinguCards betreffen. Auch wurde von ihm ein Video vom LinguCards-Erasmus-Workshop im Dezember gedreht und geschnitten. Das Video ist unter folgendem Link zu erreichen: https://vimeo.com/152828587

In Bulgarien haben bis jetzt, mit zwei Workshops auf dem Straßenfest "Sofia Disha", einer Infoveranstaltung im "Betahaus" und des eben erwähnten Erasmus-Workshops in der Gallery2.0, die meisten LinguCards-Veranstaltungen stattgefunden. Die letzte Informationsveranstaltung in Deutschland wurde von Lyubomir Pozharliev, einem Doktoranden am International Graduate Centre for the Study of Culture in Gießen, auf der Internationalen Sprachmesse Gießens im November durchgeführt.

Auf allen LinguCards-Veranstaltungen geht es darum, sich mit den Bildern der eigenen und den Bildern von fremden Sprachen zu beschäftigen, sie zu vergleichen und wenn möglich seine persönliche Sicht eines Sprichwortes auch kreativ zu illustrieren. Die Ergebnisse der Veranstaltungen werden gesammelt und über Facebook, Twitter und über die Projekt-Website mit der Öffentlichkeit geteilt.

LinguCards in der Schule

LinguCards können im schulischen Sprachunterricht eingesetzt werden. Redewendungen haben eine Schlüsselfunktion innerhalb einer Sprachgemeinschaft. Sie können im Handumdrehen Zustimmung, Verständnis und Empathie erzeugen, oder – im Gegenteil – bei falscher Verwendung das Fremde im Anderen hervorheben. Aus diesem Grund erweist sich das Lernen von Sprichwörtern und feststehende Phrasen als wertvolles Wissen für diejenigen, die eine Fremdsprache erlernen. Durch die sprichwörtlichen Illustrationen von LinguCards werden die Idiome nicht nur leichter verständlich, sondern auch einprägsamer und einfacher zu lernen.

Desweiteren wird durch die Konfrontation mit verschiedenen Bildern, die dasselbe bedeuten, eine Sensibilisierung für genaues Hinhören erreicht sowie ein Abgleichen verschiedener Wirklichkeitskonzepte angeregt. Wenn Menschen die Möglichkeit von Bedeutungsgleichheit im Bild-Unterschied einmal kennengelernt haben, ist es sehr viel wahrscheinlicher, dass sie die sprachlichen Bilder von nicht-muttersprachlichen Rednern mit den Bildern aus ihrer Muttersprache abgleichen, nach Ähnlichem suchen und genauer nachfragen, was gemeint sein könnte.

Mit dem Ziel interkulturelle Kommunikation bei jungen Menschen zu fördern, sucht das LinguCards-Projekt den direkten Kontakt zu Schulen, ihren Lehrerinnen und Lehrern sowie ihren Schülerinnen und Schülern.

In einem ersten Schritt werden Projektstunden oder ganze Projekttage geplant und durchgeführt. Dies kann im Austausch mit LinguCards-Botschaftern geschehen, oder von engagierten Lehrerinnen und Lehrern eigenständig geplant werden.

Während dieser Projekttage soll das Lernen von Fremdsprachen mit dem Kunstunterricht und nach Möglichkeit auch mit anderen Fächern (z.B. Geschichte, Geographie, Biologie, Linguistik, u.s.w.) verbunden werden. LinguCards eignen sich hierbei besonders gut als spielerischer Einstieg in die Projektarbeit. Außerdem liefern sie Inspiration für eigene Sprichwort-Illustrationen der Schülerinnen und Schüler.

Im Laufe des Jahres 2016 wird ein LinguCards-Memory für bulgarische und deutsche Sprichwörter herausgebracht, um eine spielerische Integration in den

Unterricht so einfach wie möglich zu gestalten. Daran anknüpfend kann man Sprichwort-Geschichten schreiben, Malwettbewerbe organisieren, Bildhauerarbeiten integrieren, ganze Theaterstücke schreiben und aufführen, oder sich etwas Eigenes ausdenken und vorschlagen. Nach der Durchführung solcher LinguCards-Projekte sind die Beteiligten dazu eingeladen ihre Ergebnisse einzureichen. Anschließend kann eine Auswahl der Ergebnisse auf der LinguCards-Website veröffentlicht werden.

Nachdem Kontakte zu Schulen aus verschiedenen Ländern geschaffen worden sind, möchte das LinguCards-Projekt den Austausch zwischen diesen Schulen anregen. Die Schülerinnen und Schüler können zum Beispiel ihre eigenen LinguCards zeichnen und an eine Partnerschule im Ausland schicken, um anschließend eine entsprechende Antwort zu erhalten. Auf diese Weise können Brieffreundschaften und Netzwerke über Ländergrenzen hinaus entstehen.

Die erste Schule, die sich am Projekt beteiligt hat, ist die 73. Schule "Vladislav Gramatik" in Sofia. Nach der Kontaktaufnahme haben Lehrerinnen eigenständig einen Projekttag organisiert, die Ergebnisse abfotografiert und eingeschickt. Die Bilder und eine Plastik können bereits auf dem deutschen Teil der LinguCards-Website begutachtet werden.

Zukunftsmusik

Im Jahr 2016 soll durch den Druck und den Verkauf des bulgarisch-deutschen LinguCards-Memory die Finanzierung für die Erstellung von weiteren LinguCards abgesichert werden. Auf Grund der aktuellen Herausforderung der EU durch die syrische Flüchtlingskrise ist geplant, arabische Sprichwörter in die LinguCards Kollektion aufzunehmen. Die Idee ist, syrische Linguisten und Künstler unter den Flüchtlingen anzusprechen und zur Mitarbeit einzuladen.